Literarische Wanderbaustelle

Wolfgang Wache

Literarische Wanderbaustelle

Tag des offenen Ateliers 6. + 7. Mai im MARGA-Atelier

Tag des offenen Ateliers 6. + 7. Mai im MARGA-Atelier

Mit Kunst in den Mai starten, heißt es am 6. und 7. Mai in der Gartenstadt Marga.

Wolfgang Wache und Yana Arlt präsentieren im MARGA-Atelier eigene LandArt, Linoldrucke, Kohlezeichnungen und Lyrik aber auch Aktionen zum Mitmachen. Doch nicht nur das Atelier ist an diesem Wochenende geöffnet, vor der Briesker Kirche kann man am Samstag ab 13 Uhr durch ein Sandlabyrinth gehend meditieren.

Beim literarischen Sonntagsspaziergang über die idyllischen Höfe der Gartenstadt ab 14 Uhr sind Jana Weinert aus Potsdam und Konstanze Niemz aus Hoyerswerda mit eigenen Texten zu erleben.

Arbeit am Kunstkalender „Wolfgang Wache / Bilder aus Kohle / 2023“

 

 

 

 

Wir sind schon ganz aufgeregt, unsere Kalender sollen am 20. Dezember geliefert werden!

DAS WAR: deutsch-sorbisches KUNSTwochenende in Brieske-Marga Poetischer Tag in Brieske-Marga

Bereits zum zweiten Mal spazierten am 2. Juli 2022 DichterInnen samt Publikum und Klappstühlen durch die Gartenstadt Marga bei Brieske-Senftenberg. Insgesamt vier Mal, einmal in jeder Jahreszeit, lädt das Literaturzentrum „Ich schreibe!“ deutschsprachige Wortkünstler in das Lausitzer Seenland ein. Das Besondere bei der Sommerlesung war, dass auch Nieder- und Obersorbisch gedichtet und gelesen wurde. Pittkunings startete den Samstag mit Sagen der Lausitz, erzählt und gesungen für kleine und große Leute. Dazu entstanden Aquarellbilder unter der Anleitung der Senftenberger Künstlerin Wenke Richter. Nach wenigen Schritten erreichte die kleine Gruppe, die sich im Laufe des Nachmittags verstärkte, den ersten Hof. Im Schatten eines Walnussbaums las Benedikt Dyrlich Verse aus seinen zweisprachigen Publikationen. Direkt bei einer Marganerin im Garten fand die Lesung von Lenka alias Christiane Piniek statt. Über den Gartenzaun war Kaffeetassengeklapper und das Geplauder aus dem Nachbargarten zu hören. Im Pfarrgarten, unweit des Friedhofs las Wolfgang Wache „Herbert liegt schon lange auf dem Gottesacker“, eine Geschichte eines Mannes, der auf viele Lebensjahre in der Elsterniederung zurückschaut. Yana Arlt und Elias Wolski überraschten Benedikt Dyrlich mit der Umsetzung drei seiner Gedichte als Puppenspiel. Er schreibt: „Es war ein wunderschöner und anregender Tag der Literatur und interkultureller Begegnung in Brieske. Sehr überrascht hat mich die kleine, aber unterhaltsame zweisprachige Inszenierung meiner Gedichte aus Der Tiger im Pyjama/Tiger w nócnej košli.“ Die Kulissen fertigten junge KünstlerInnen während der Kreativen Donnerstage im MARGA-Atelier selbst an. Den Abschluss des poetischen Nachmittags bildete die Ausstellungseröffnung von Wenke Richter. „Fremdenführer heimisch“ ist im Juli und August in der Galerie MARGA, direkt am Briesker Marktplatz zu sehen. Die Herbstlesung „Lyrische Jahreszeiten zwischen Gärten und Zechenhaus“ findet am 4. September 2022 im Rahmen des 10. Lausitzer Lyrikfestivals statt. Dann heißt es wieder: Stühle zusammengeklappt und losspaziert durch die architektonisch einmalige Bergarbeiterkolonie und Gartenstadt Marga.
DAS WAR: deutsch-sorbisches KUNSTwochenende in Brieske-Marga
Facebook fragt: „Was machst du gerade?“ Sitze vor dem PC, schaue mir Fotos von gestern an und stelle ein paar online. Dann gehe ich ins Kreativzelt auf dem Briesker Marktplatz und zeichne für meine neue Publikation „Elsterniederung“. Das ist der Text, den ich am Samstag unter der blühenden Linde im Pfarrgarten las.
Dank an Benedikt Dyrlich, Christiane Piniek alias Lenka, Wenke Richter, Yana Arlt und Elias Wolski für den schönen lyrischen Nachmittag in der Gartenstadt Marga. Dank auch an alle Helfer, die für Kaffee und Kuchen sorgten, die beim Zeltauf- und -abbau dabei waren etc.
Demnächst gibt es die Nachbereitung auf unserem Blog, unserer Internetseite und natürlich auch hier.

Ein Koffer – gefüllt mit Fantasie

„Wenn auf den Wiesen ein Milchkrieg ausbricht oder aus einer Molkerei ein Planet mit ulkigen Bewohnern wird, dann kann eine Schreibwerkstatt aus Senftenberg-Brieske dafür verantwortlich sein.“

„Wir malen mit Worten“ , sagt Wolfgang Wache, für den das Schreiben die Mutter aller Künste ist, was für ihn auch einschließt, junge Zeichentalente und Illustratoren zu unterstützen. Weit über die Grenze des Landes Brandenburgs ist er als „Birkchenpapa“ bekannt. Er hatte der Niederlausitzer Kunstschule in Brieske nicht nur den Namen „Birkchen“ gegeben, sondern auch Zeichen gesetzt. Sklave eines Hauses aber wollte er letztlich nicht sein, die Kultur war ihm wichtiger. So hat jetzt die Autorengruppe, die schon im „Birkchen“ junge Literatur zum Leben erweckte, im Kultur- und Freizeitzentrum „Pegasus“ Unterschlupf gefunden.
Ein sonnendurchfluteter Raum, in dem selbst die Wände Geschichten erzählen. „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“ , stellt Karl Valentin auf einem Schriftzug fest, auf einer Zeichnung, sich um ein klappriges Fahrrad bemühend, sein sinniger Satz: „Ich konnte damals erst übermorgen starten.“ Wolfgang Wache lächelt hintergründig und setzt hinzu: „Aber wir starten trotzdem!“
Der 58-Jährige hat ein Faible für das Clowneske. „Da müssten Sie erst meine Wohnung sehen, ein Sammelsurium von Sprachkünstlern.“

Die Welt des Theaterspiels
Begonnen habe diese Leidenschaft in seiner Kindheit. Im Garten hinterm Haus in Senftenberg entdeckte er mit drei Jahren die Welt des Theaterspiels, zunächst als Zuschauer, später in Lauta dann schon als Theaterdirektor. „Ohne Tante Gretel hätte es das nicht gegeben“ , sagt’s, zieht ein Büchlein hervor und beginnt vorzulesen: „Als Schulkind gehörte ich zu denjenigen, die den Deutschunterricht hassten. Wenn da nicht eine Horterzieherin gewesen wäre, die uns zum Theaterspielen begeisterte. Ich war oft nicht mit dem Text einverstanden. Sie sagte: ‚Schreibe deine Geschichtenideen auf.‘ Und ich erlebte zum ersten Mal, dass nicht über meine schlechte Rechtschreibung und Grammatik gesprochen wurde, sondern über meine Texte. . . Dafür danke ich Gretel Heinrich, die wir als Kinder liebevoll Tante Gretel nannten. Sie ist schuld, dass ich heute daran Freude finde, den jungen Schreiberlingen Mut zum Weiterschreiben zu machen.“
Diese Sätze, Tante Gretel lebt heute 79-jährig in Torno, stammen aus dem Vorwort zu einer Anthologie, die aus den Einsendungen zum Literaturwettbewerb 2006 entstanden ist. Die nächste ist kurz vor der Fertigstellung. Die Preisträger 2007 werden während der Festwoche bekanntgegeben und in Senftenberg aus ihren Arbeiten lesen.
Wie Wolfgang Wache haben auch seine Mitstreiterinnen Andreas Beutel und Jana Arlt Spaß daran, jungen Leuten bei ihren Erkundungen in der literarischen Ideenwelt helfend und beratend zur Seite zu stehen. Entscheidender Grund, das Nachwuchs-Literatur-Zentrum zu gründen, das freilich ohne Sponsoren und Fördertöpfe nicht am Leben zu halten ist. 1992 startete der erste Aufruf zum Literaturwettbewerb für Kinder und Jugendliche. 2008 wird somit zum Jubiläumsjahr für die kulturpädagogische Arbeit mit jungen Schreibenden, dessen Auftakt schon in diesem Herbst gegeben wird.
Ende Juni wurde die Autorengruppe in Saarbrücken mit dem Sonderpreis der PWC-Stiftung bedacht, die auf Initiative von Führungskräften der PricewaterhouseCoopers AG kulturelle Jugendarbeit fördert.

„Kinder zum Olymp“
Ein weiterer Preis einer Kulturstiftung der Länder und des Bundes: „Kinder zum Olymp“ ist bereits zur Festwoche angekündigt worden. Heute wird sie in der Grundschule am See eröffnet, in der Jana Arlt und Wolfgang Wache schon seit Langem Kinder lehren, durch die Brille der Fantasie zu sehen. Hundert Textballons sollen in Senftenberg, Schwedt und Rostock in den Himmel steigen. Morgen wird die Leseratte Raz Schulklassen aus Senftenberg und Umgebung darüber aufklären, wie ein Buch entsteht und gemeinsam mit den Kindern Geschichten schreiben.
Erfinderin der Leseratte Raz ist die 33-jährige Jana Arlt. Ihre Stimme ist nicht wiederzuerkennen, wenn sie sich in die eifrige Leseratte verwandelt, die als Lesezeichen gern Käse oder Speck verwendet. Jana Arlt ist ausgebildete Erzieherin und Lyrikerin, während der Festwoche wird sie sich mit der Autorengruppe – Andrea Beutel und Wolfgang Wache warten dann mit Prosa und lyrischen Wortexperimenten auf – in einer Lesung wieder einmal der Öffentlichkeit vorstellen.
Alle drei lassen nicht nur in der Festwoche die Puppen tanzen. Vermiculus, der Bücherwurm, frisst sich ausdauernd durch die Bücherregale, die die Puppenbühne darstellen, und die Leseeule Sophia gibt allzeit die Oberschlaue.
Gemeinsam mit den Autoren waren sie auch schon mit einem eigenen Stand auf der Leipziger Buchmesse. Im nächsten Jahr soll der Stand tüchtig wachsen. Anfang 2003 waren das noch Hirngespinste. „Da haben wir in einem Leipziger Café herumgealbert und die kühne Vision entwickelt, in fünf Jahren auf der Messe präsent zu sein. Ein Jahr darauf hatten wir den Literaturwettbewerb deutschlandweit ins Leben gerufen und dann gab es auch bald die ersten Publikationen“ , erinnert sich Wolfgang Wache. Sechs Bücher junger Literaten sind mittlerweile schon in seinem Verlag herausgekommen. „Wir sind Puppenspieler, Herausgeber, Lektoren, Autoren, nur die Druckerpresse lassen wir in Ruhe“ , frotzelt Jana.
Geboren werden die Texte zwar meist im stillen Kämmerlein, aber an der Wiege standen oft Jana Arlt und Wolfgang Wache aus Senftenberg und Andrea Beutel aus Schwedt, die ihren Sohn Sven seit 1999 zu den Schreibwerkstätten mitnimmt und der wie die anderen Kinder Gefallen am Schreiben fand und damit groß wurde.

Unter die Haut
„Wenn junge Dichter sich treffen“ ist das Motto der Schreibwerkstätten. In diesem Sommer luden die Senftenberger nach Helmarshausen bei Göttingen. Aus acht verschiedenen Bundesländern reisten die Sprachtalente an. Wolfgang Wache aber kam mit einem leeren Koffer und forderte die jungen Literaten auf: „Füllt ihn mit eurer Fantasie!“ Er wurde nicht enttäuscht. Wunderbare Geschichten und Gedichte konnte er mit nach Hause nehmen. Jana Arlt erinnert sich, wie er Esther, ein fünfzehnjähriges Mädchen, das sich mit ihren Zeilen über ein sehr heikles Thema regelrecht verschloss, aus sich selbst herausholte: „Am Ende stand ein Gedicht, das unter die Haut geht und andere Menschen berührt“ , erzählt sie.
Die Autoren freuen sich aber auch auf den Herbst. Ende September geht es nach Buckow, dort treffen sich Erwachsene zum Schreibcamp, wo sie auch selbst an eigenen Texten feilen wollen. „Dafür bleibt oft zu wenig Zeit“ , gibt Wolfgang Wache zu. Und Jana Arlt denkt weiter: „Viele junge Leute verlassen die Region, die Älteren bleiben. Das Literatur-Zentrum kann auch für sie ein wichtiger Anlaufpunkt sein, etwa, wenn sie Erinnerungen literarisch verarbeiten wollen.“
Noch viele Ideen werden in diesem literaturverwöhnten Raum entwickelt. Und die Wände geben ihren Kommentar dazu ab: „Starten wir eine Floßfahrt ins Ungewisse.“

Interview mit Wolfgang Wache – einem künstlerischen Urgestein der Tagebaukante

Veröffentlicht im
3Mag

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Interview mit Wolfgang Wache – einem künstlerischen Urgestein der Tagebaukante


05. Apr. 2022

„Erneuerungen
In jedem Augenblick
erneuert
sich der Moment
dabei sein
in Momenten
dabei sein
wenn das abgenabelte Kind
mit tröpfelnden Nasentropfen
langsam um die Plattenhäuser schleicht“

(Auszug aus „Evas Töchter“ in dem Band „Kornblumen gießt man nicht“, Band 1 Lyrik, Wolfgang Wache)

… vom Schaffen zum Sein

Sie haben als künstlerischer Leiter in den Kultureinrichtungen des Braunkohlenkombinats Senftenberg vor der Wende gearbeitet. Bis 2007 leiteten Sie die Niederlausitzer Kunstschule „Birkchen“. Was identifizieren Sie als Kultur und welche Bedeutung hat diese für das eigene Erleben?

Kultur, das ist alles, was uns umgibt. Wenn es das Essen ist, also die Speisen, dann gehört auch das zur Kultur. Dieses menschliche Miteinander ist für mich genauso Kultur. Was wir jetzt direkt besprechen, ist ja eher der Bereich des kulturellen Tätigseins. Oder kulturell etwas umzusetzen. Und ich war immer fasziniert von Menschen, die für andere etwas tun und für andere Prozesse in die Wege leiten. Und wenn du im kulturellen Bereich dranbleibst, kannst du Ideen entwickeln und selbst zum Laufen bringen. Es geht darum, den Freiraum zu haben und zu finden, Prozesse umzusetzen, die erstmal in deinem Kopf entstanden sind. Ein tolles Erlebnis ist es dann, wenn du siehst, was aus deinen Ideen geworden ist. Wenn Menschen plötzlich das umsetzen, was im eigenen Kopf entstanden ist und das dann auch noch Wirklichkeit wird. Das lässt sich nur begreifen, wenn man davon besessen ist. Das hat mich schon als kleines Kind begeistert. Das möchte ich eigentlich, solange wie ich lebe, nicht missen. Das ist für mich wichtig, und das ist für mich Kultur.

Wie sieht Ihr Blick auf Kultur in der Lausitz heute aus im Vergleich zu damals? Oder gibt es für Sie keine Unterschiede?

Kultur in der Lausitz ist sehr schwierig. Wenn man sich die Lausitz genauer anschaut, stellt man fest, dass hier große Wandlungsprozesse passiert sind. Bis 1890 herrschte überall ländliches Leben, und dann kam die Industrialisierung. Sie begann mit der Erschließung der Braunkohlenfelder in dieser Region, und dadurch entwickelte sich auch die Glas- und Keramikindustrie. In allem lässt sich der Grundstoff Braunkohle finden. Mit der Braunkohle hat sich diese Region wahnsinnig verändert und somit auch das kulturelle Leben. Früher waren hier sorbische Sitten und Bräuche zu Hause, und dann gab es viele Auseinandersetzungen mit der Germanisierung und den Sorben. Hinzu kam, dass mit der Industrialisierung plötzlich auf dünn besiedelten Gebieten die verschiedensten Menschen, nicht nur aus Deutschland, aufeinanderprallten. Das war eine wahnsinnige Entwicklung, die, so glaube ich, immer noch nicht zu Ende ist. Eine Vermischung hat stattgefunden, denn vieles Alte ist nicht mehr da. Manchmal wollen die Menschen manches Alte wiederbeleben; aber hier sind ganz neue Prozesse entstanden. Plötzlich wurden schlesischen Klöße wichtig in der Lausitzer Gegend. Warum? Weil man aus Schlesien hierherkam. Das zeigt, dass hier in der Lausitz immer ein Wandel zu spüren war. Bezogen auf den Prozess der kulturell-ästhetischen Bildung haben wir hier jedoch ganz große Schwierigkeiten. Wir müssen uns nur mal anschauen, welche Menschen in diese Region kamen. Welche Arbeit war hier vorhanden? Arbeit, die körperlich schwer war; aber Ingenieure und dergleichen brauchte man kaum. Was man hingegen brauchte, waren Arbeiter.

Also war Kultur eine Angelegenheit der Betriebe und nicht des Staates?

Die Ilse-Bergbau-Aktiengesellschaft war eine Firma gewesen, die die Braunkohleentwicklung vorantrieb. Diesbezüglich gibt es in unserem Ausstellungsraum vom Nachwuchs-Literatur-Zentrum (NLZ) „Ich schreibe!“ eine Schrift aus der Zeit, als man die Gartenstadt Marga zu einer Arbeiterkolonie ausbaute. In dieser Schrift steht, wozu ein solches Ensemble gebaut wurde. Es ging darum, den Arbeitern Kultur beizubringen. Sie sollten in diesem Ensemble eine feine ästhetische Bildung erhalten…

…von Tante Gretel inspiriert

Wie würden Sie die Zukunft vom NLZ einschätzen bzw. was muss denn in jedem Fall getan werden, dass das NLZ nicht stirbt?

Wir wollen natürlich nicht, dass das NLZ stirbt. Man bräuchte eigentlich nur so weitermachen und keine Förderungen mehr beantragen; dann wäre es vielleicht so. Aber das wollen wir ja gerade nicht. Was wir hingegen wollen: Junge Leute sollen eine Zukunft sehen, sich als Kulturmacher verstehen und begeistert davon sein, kulturelle Prozesse umzusetzen sowie künstlerisch tätig zu werden. Das ist uns das Wichtigste. Du kannst ein guter Vermittler sein, wenn du dir bewusst machst, ein großes Wunder erleben zu können, wenn man plötzlich einen Pinsel in die Hand nimmt und eine Idee hat und staunt, was da plötzlich auf der Leinwand entsteht. Es braucht daher Menschen, die ein Verständnis für solche Prozesse entwickeln oder bereits haben. Sie stellen dann fest, wie bereichernd es für das eigene Leben ist, sich auf Kunst und Kultur einzulassen. Ich bin dafür das beste Beispiel. Es handelt sich um unsere liebe Tante Gretel. Tante Gretel hat mit uns damals Theater gespielt und uns damit begeistert. Sie schaffte es, ein Stück zu entwickeln, in dem ursprünglich vier Personen mitspielen sollten, doch am Schluss waren es 40. Jeder wusste, dass er in diesem großen Prozess wichtig ist. Mein Problem war, dass ich mit der deutschen Sprache nicht zurechtkam. Ich fand die Schule grausam. Jedoch gab es Menschen, wie auch Tante Gretel, die mir mit 9 Jahren dazu verhalf, Lust am Schreiben zu entwickeln. Sie öffnete mir den Weg und trieb mich an, weiterzuschreiben. „Mit der Rechtschreibung wirst du das später auf die Reihe bekommen!“, sagte sie. Wichtig ist es, sich nicht zu ernst zu nehmen und erst einmal ins künstlerische Tätigsein zu gelangen. Das habe ich getan, und das ist es, was ich auch den jungen Leuten heute vermittle. Wenn ich mit Kindern und Jugendlichen arbeite, versuche ich ihnen, das Zuhören ans Herz zu legen. Das beginnt bereits in der Natur, wenn ich bspw. mit einem toten Baum spreche. Der Wind rauscht und die trockenen Ähren klappern. So entsteht ein großes Konzert. Das habe ich ihnen mitgeteilt und findet Verwendung in ihren lyrischen Texten.

… vom Zuhören und Befruchten

Wie haben Sie den Strukturbruch und die sich wandelnde Identität in der Lausitz erlebt?

Die Braunkohle hatte für diejenigen, die hier wohnten, das Hauptsagen. Es drehte sich alles um die Kohle. Das ganze Leben wurde von der Kohle bestimmt und damit auch der kulturelle Bereich, welcher vom Braunkohlenkombinat finanziert wurde. Kultureinrichtungen wurden nicht durch den Kommunalhaushalt, sondern durch den Betrieb bezahlt. Meine alte Arbeitsstelle, das Kulturhaus des Braunkohlenkombinats Franz Mehring, beherbergte über 40 Arbeitsgemeinschaften, die durch einen künstlerischen Leiter und betreut wurden. Es gab u.a. Theater-, Ballett-, Sing- und Keramikgruppen. Alles in allem also eine ganze Reihe an kulturellen Betätigungsmöglichkeiten. Und vergessen wir die großen kulturellen Veranstaltungen nicht. Diese wurden für die Werktätigen organsiert. Als dann die Wende kam, war in vielen kommunalen Bereichen die Kulturarbeit nicht zu Hause. Dadurch entstanden große Probleme, die heute noch sichtbar sind. Die Schwierigkeit besteht darin, unser Publikum für verschiedene Veranstaltungen zu begeistern. Das ist im Moment ein anstrengender Prozess. Die kulturelle Bildungsarbeit bleibt derzeit auf der Strecke. Das war schon vor Corona der Fall und ist durch die Pandemie noch viel schlimmer geworden. Wichtig bleibt uns: „Begeistern durch Begeisterung!“. Und zwar durch unsere Begeisterung, etwas zu tun, und um diese dann auf die anderen Leute zu übertragen. Aber dafür muss sich erst die Gelegenheit bieten. Kunst und Kultur müssen den Menschen in den Weg gelegt werden, damit sie darüber stolpern. Was im NLZ zu sehen ist, ist nicht perfekt; aber darum geht es auch nicht.

Kulturarbeit wurde nach der Wende zur freiwilligen Aufgabe in den kommunalen Haushalten, und das darf nicht sein! Es gibt seit Jahren immer wieder Bestrebungen, dass die kulturelle Arbeit zur Pflichtaufgabe wird. Aber bis zum heutigen Tage ist es beim Reden und Bekennen geblieben. Das hindert uns in unserer Arbeit stark. Mein Wunsch wäre es, mit einem künstlerischen Team zusammenzuarbeiten, sich Projekte auszudenken, ohne einen Gedanken an die finanziellen Herausforderungen bei der Umsetzung verschwenden zu müssen.

Wenn man sich im künstlerischen Tätigsein treu bleiben will, kann es passieren, dass man plötzlich keinen passenden Fördertopf findet und stattdessen eine ganze Zeit lang ohne finanzielle Unterstützung klarkommen muss, weil man nicht nur den Fördertopf bedient. Förderpolitik sollte daher mehr von der anderen Seite, also aus Sicht der Kulturschaffenden gedacht werden.

… von der Kunst am … ähh! … beim Bau

Sie haben auf Ihrer persönlichen Website den Aufbau gewählt, Kunst, Kultur und Arbeit zu verbinden. Und das wird deutlich bei der Benennung der Reiter, welche angelehnt sind an die Aufsplittung von Arbeitsprozessen auf einer Baustelle. Wie lässt sich das zusammendenken?

Ich habe ursprünglich das Maurerhandwerk erlernen dürfen und das noch in alter Form. In der 8. Klasse bin ich raus ins Berufsleben und habe dort die alten Generationen von Handwerkern in der Gartenstadt Marga kennengelernt. Ein Dachdeckermeister war für mich damals genauso wichtig wie Tante Gretel. Er hatte mir mit auf den Weg gegeben, dass das Einbringen in die Gesellschaft mit künstlerischen Prozessen wichtig sei. Dieser Mann konnte sich mit den Kollegen auf die deftigste Baubudenart unterhalten, aber auch feinsinnig ein ordentliches Gespräch führen. Davon habe ich profitiert, denn diese Haltung öffnete mir so manche Türen. Während der Bauarbeiterzeit habe ich gemalt und Texte geschrieben sowie in Bewegungen, wie denen der „Schreibenden Arbeiter“, mitgewirkt. Deshalb bekam ich auf der Baustelle den Spitznamen „Dichter“,der jedoch eine negative Bedeutung hatte à la „Hallo, da kommt unser Spinner!“. Irgendwann packte es mich und ich brauchte nochmal Veränderung, besuchte die Abendschule und schloss ein Studium in Leipzig ab. Diese wunderbare Schule, auf dem Bau tätig zu sein, verschiedene Menschen kennenzulernen und mit diesen zu arbeiten, werde ich nicht vergessen. Den schönsten Lohn in der Kunst erhalte ich immer dann, wenn ich gefragt werde, warum ich mir das überhaupt antue? Darauf antworte ich, dass es die Begeisterung ist. Wenn ich bspw. junge Artisten am Trapez arbeiten sehe, bin ich nah am Wasser gebaut, und dann fließen die Freudentränen.

… vom eigenen Ausblick auf den weiteren Balkon des Lebens

Was liegt denn noch in der Schublade „Aktuelle Baustelle für 2022“?

Wolfgang Wache als Künstler. Denn diesbezüglich hat er sich sehr zurückgenommen. Andere Dinge waren wichtiger. Dinge voranzutreiben z. B. Deshalb blieb der WW oft im Hintertreffen. Das hat er sich nun vorgenommen: Dort noch etwas stärker ranzugehen; Dinge, die eigentlich schon gemacht wurden, zu sammeln und zusammenzubringen und neue Dinge zu entwickeln. Es sind zwei Dinge, die jetzt ganz wichtig für mich sind: Ein Kunstbuch mit meinen eigenen Zeichnungen und Grafiken zu erstellen und natürlich meine eigenen Texten voranzubringen. Ich freue mich sehr darauf. Man darf nur nicht zu sehr hinter die Kulissen schauen und nicht allzu viel wissen, ansonsten ist der Glanz runter und alles nicht mehr ganz so toll. Was ich nicht schön fand, ist die Show, die so manchem Autor vorgegaukelt wird. Das habe ich erkennen müssen, da doch viele benutzt werden. Und das bekommt man erst mit, wenn man hinter die Fassade schaut. Und ja, das habe ich auch vermieden. Deshalb habe ich auch einen eigenen Verlag gemacht und möchte mit den anderen auch ehrlich umgehen. Ganz wichtig ist für mich der Schaffensprozess. Mehr Zeit zu finden für die wichtigen Momente, in denen man erlebt, wie der Text oder das Bild entsteht. Das sind für mich die schönsten Erlebnisse. Und das fortzusetzen und erleben zu dürfen, kann man ja nur, solange man sich gesund und wohlfühlt. Ich wünsche mir, dass mir das noch lange gegeben ist.

Rechts oben: Wolfgang Wache, vorgestellt als „Kulti“ in der 5. Ausgabe der Zeitung „Der Kumpel“, Organ der zentralen Parteileitung der SED im Stammbetrieb des VE BKK Senftenberg (02.02.1989, Brieske-Ost)

Das Interview führte Claudia Arndt.