Lyrikgala mit Ausstellungseröffnung „Kreis 07“ und Buchpremiere des „Autorenkreis Kornblume“

Wolfgang Wache dankt Frau Barbara Seidl-Lampa für die gute Zusammenarbeit, die den Blumenstrauß stellvertretend für den „Kreis 07“ und den Pro Ars Lausitz e.V. entgegen nimmt.

Yana Arlt, Wolfgang Wache und Alexander Kiensch vom „Autorenkreis Kornblume“
lesen Texte aus dem „Almanach 2017“.
Aufbau der Ausstellung mit den Werken vom Kunstpleinair 2017

Wolfgang Wache über das Lausitzer Lyrikfestival 2017

Ich bin schon ein komischer Typ. Immer wenn ich etwas als sehr schön empfinde, möchte
ich gern, dass andere auch daran teilhaben. So geht es mir mit dem letzten Wochenende. Die drei Tage Lyrikfestival waren, so glaube ich, eines der schönsten Treffen unter Kollegen. Jeder der Teilnehmer hat es bestätigt. Bereits am Freitag haben wir gemeinsam mit Graphikern und Malern eine Ausstellung eröffnet. Während dieser Veranstaltung stellte der „Autorenkreis Kornblume“ seinen neuen Almanach vor. Es wurden Texte in einer wunderbaren Raumatmosphäre vorgetragen. Durch verschiedene Lichtfarben und Klanginstrumente entstanden unterschiedliche Stimmungen. Auf der Leinwand begleitenden verschiedene Fotomotive die Lesung. Diese wunderschöne Leseperformance wurde abgerundet mit einem original russisch-kasachischem Büfett. Am nächsten Tag sammelte ich gemeinsam mit Jana Arlt unsere Dichterkollegen auf dem Marktplatz Brieske und am Bahnhof Senftenberg ein. Pünktlich um 10.00 Uhr saßen wir alle „im selben Boot“. Das Wetter passte, Sonne schien. Das Boot war eine Überraschung. Die Dichter saßen wie in einer Wohnstube auf gepolsterten Bänken und fuhren auf den Seen, die einst Tagebaue waren. Dort, wo einst sorbische Dörfer standen, lernten sich während einer dreistündigen interessanten Tour die Dichter näher kennen und nahmen viele Eindrücke mit an Land. Nach der Bootsfahrt wurde im Kleinbus weiter diskutiert. Auch während des Mittagessens in der „Niemtscher Mühle“, wenige Schritte vom Senftenberger See entfernt, brachen die Gespräche nicht ab. Ab 15.30 Uhr begannen die einzelnen Lesungen. Diesmal hatte jeder Zeit, den anderen Kollegen bei ihren Vorträgen zuzuhören . Das kam bei allen Teilnehmern und den Gästen gut an.
Ich habe mich sehr gefreut, dass sehr viele fachliche Gespräche stattfanden. So sprach man auch über experimentelle Herangehensweisen bei der Texterarbeitung. Es ging auch darum, Literatur wieder mit vergessenen und noch unbekannten Stilmitteln neu zu beleben. Es gab den Wunsch, dass man bei den nächsten Zusammenkünften noch mehr Zeit für solche fachlichen Gespräche einplant. Der Bedarf sei da – so die einheitliche Meinung. Einige sagten sogar, dass dieses Treffen das beste von den immer sehr gelungenen Festivals gewesen war. Als Veranstalter freut man sich auch darüber. Am Sonntag stand ich dann zur Matinee mit Yana Arlt, Stefan Reschke und Alexander Kiensch im und auf dem literarischen Labyrinth. Ich bin immer noch begeistert von dieser wunderschönen Dichterbegegnung.
Eigentlich, das muss ich an dieser Stelle gestehen, wollte ich aufhören. Die Finanzierung wird ja immer schwieriger, der Weg zu den Fördertöpfen, von denen immer behauptet wird, dass sie gut gefüllt sind, wird immer steiniger. Manche denken, wenn die Veranstaltung zu Ende ist, ist alles gelaufen. So ist es eben nicht. Ich bin zum Beispiel immer noch mit dem bürokratischen Ablauf der Veranstaltung des Jahres 2015 beschäftigt. Die Vor- und Nachbereitungen kosten jedes Mal viel Kraft und Ausdauer. Genau das ist es auch, was uns Freischaffende und kleinere Vereine ein wenig abschreckt, solche großen Projekte anzugehen. Da aber viele Kollegen solche Begegnungen wünschen, werde ich gemeinsam mit Jana Arlt auch für das Jahr 2018 die organisatorische Arbeit aufnehmen. Jeder kann sich mit seinen Ideen und Wünschen bei der Vorbereitung der Aktivitäten des kommenden Jahres einbringen.
Wolfgang Wache
 Georg Voigt, Wolfgang Wache, Lena Inosemzewa
Bootstour über die Lausitzer Seen
 Sergej Tenjatnikow und Wolfgang Wache
„Autorenkreis Kornblume“
Premiere des „Almanach 2017“ zur Lyrikgala

Suchende Menschen, selten zufrieden –

Susann Vogel über eine Lesung des Lausitzer Autors Wolfgang Wache und die poetischen Eindrücke, denen sie nachwandert …
Er fordert auf: „Trinken Sie etwas!“
Und nimmt selbst einen Schluck aus dem Wasserglas. Ich greife zu meinem roten Wein und proste ihm aus der dritten Reihe zu.
Wolfgang Wache, der Lausiter Kulturmacher, Wortwerkler, ein ernsthafter Clown und – ein Lichtfänger, ein Lichtwerfer auf das Andere, die anderen Möglichkeiten.
Das Licht an diesem Nachmittag fällt in die Elsterniederung, eine Erzählung in Versen über die regionale Vergangenheit; demnächst geplant als Kunstbuch-Veröffentlichung. Es berichtet die Figur des Herberts, dessen Erinnerungsaufmarsch ich lausche: eine Welt des Moors und des Sumpfes; von Lehm und Leben von dem, das vorhanden, verfügbar, ist – in der Elsterniederung. Eine Welt der suchenden Menschen, von Schwertlilien umgeben und selten zufrieden. Eine Welt der nackten Füße, der Wassermänner und Feuchtwiesen, durchdrungen von Stoßgebeten, von den Kraftanstrengungen der Machtlosen, von Nachbars Neid, an dem sich ein Strohdach entzündet.
Herbert ist überzeugt: Wo Tauben gurren, sind Greifvögel nicht weit. Und ich laufe mit ihm in Hausschuhen weiter, weiter, weiter durch einen Wald am Bombentrichter entlang, beinahe stolpere ich – mir winkt die Mittagsfrau, als entartet gebrandmarkt. Und es empfangen uns, Herbert und mich, Menschen, die sich an brennenden Kirschbäumen […] wärm[en] bis niemand mehr w[eiß], wie Kirschen schmecken.
Wie weit sind wir gegangen?
Wie weit sind wir gewandert?
Wir haben uns gar nicht bewegt.
Augenblicke verbinden
Augenblicke
jeden Augenblick
mit dem
neuen Augenblick
Wir stehen in der Elsterniederung, am selben Ort, an dem anderes, anderes, anderes geschieht.
Hier klettere ich mit Herbert auf 100 Jahre alte Bäume und Herbert möchte, dass ich erkenne, dass ein jedes Dasein […] ein Kunstwerk [ist]. Wir, ich und Herbert mit den Holzpantinen.
Darauf stehe ich in Wolfgang Waches Waschkaue. Wir unterhalten uns mit den alten Gemäuern. Der Wind geht. Die Sonne kommt. Dann das Nichts, ein kleines Nichts, eine Blume zwischen den Granitpflastersteinen. Ein Nichts, das gedenkt, dem Etwas, den Menschen, die über diese Steine liefen.
Ich muss Inne halten, warten, atmen – ein Rausch – dort eine feste Stimme: Wird schon werden. … weil es immer schon geworden ist. Wolfgang Wache baut eine leere Wohnung, erzählt von einem Schneider, der sie verlassen musste – ihn haben sie heute abgeholt […] Sein Husten war sehr schlimm. Seine Augen waren rot. Gekommen sind Spinnweben. Geblieben ein Zettel mit der Bitte der Ehefrau an Irgendjemanden, die Blumen zu gießen. Man wird doch wieder nach Hause zurück …? Nicht wahr? Höre ich den Schneider denken. Den Menschen, der die Fähigkeit des Menschen zum Wahnsinn nicht recht glauben mochte.
Die Wohnung ist leer.
Wolfgang Waches Verse begegnen mir niemals bevormundend, direkt wohl, aber immer ver-dicht-et. Sie kippen, die Verse, im Moment des Schlags ins Gesicht. In mein Gesicht. Sie meinen stets ebenso mich. Mich und alle anderen, zu jeder Zeit.
Wände
die mich umgeben
können ein Raum sein
stemme mich gegen die
Begrenzung
um sie zu beseitigen
Mit Wolfgang Wache bin ich auf der Suche – wonach? Nach eine[r] Melodie leise ganz leise. Und dem Text, Text, Text dazu. Wir summe[n] und singe[n] la, la, lalala – wenn er kommt, der Text, pfeifen wir auf ihn.
Susann Vogel